Bildung für nachhaltige Entwicklung

Was ist eigentlich Bildung für nachhaltige Entwicklung?

Seit den 1970er Jahren wird über den Zusammenhang zwischen ökologischer Krise und Pädagogik umfassend diskutiert. Es entstanden vielfältige Konzeptionen mit jeweils unterschiedlichem pädagogischen Fokus. Manche sahen in der Erziehung zu einem empfindsamen Naturverhältnis den richtigen Weg (ökologisches Lernen). Andere konzentrierten sich auf politische Fragen und sahen in einer ausbeuterischen Wirtschaft und ihrer Technik das Übel; Aufklärung über diese Sachlage war damit das Bildungsziel (Ökopädagogik). Wiederrum andere meinten, dass mit einer verbesserten Wissenschaft und Technik große Teile des Problems zu lösen seien – und setzten auf vermehrte Fachkenntnisse und die Vermittlung komplexer ökosystemarer Zusammenhänge im Unterricht (Umwelterziehung). Diese Konzeptionen waren nie genau voneinander abzugrenzen, und im Laufe ihrer praxisnahen Ausformung verflüchtigte sich der Zusammenhang zwischen der Bezeichnung und der Sache oftmals vollends, so dass man letztlich beim Sammelbegriff „Umweltbildung“ endete.

Nach der Konferenz über Umwelt und Entwicklung der UN (UNCED) 1992 erfuhr die Umweltbildung eine neue Orientierung. Sie wird nicht mehr nur von ökologischen Fragestellungen her konzipiert, Fragen nach globaler Gerechtigkeit und zu den ökonomischen und sozialen Implikationen des Mensch-Natur-Verhältnisses sind ebenfalls wichtig geworden. Diese Neuorientierung hat zu einer neuen Begrifflichkeit geführt: Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) (engl.: Education for Sustainable Development).

Eine Nachhaltige Entwicklung wird nicht allein durch politische Maßnahmen, durch Unternehmen und neue Technologien zu realisieren sein, es muss vielmehr zu einem globalen Mentalitätswandel kommen. Mentalitäten ändern sich aber nur über das Wissen, über die Vermittlung neuer Normen und Wertvorstellungen.

Der Nachhaltigkeitsdiskurs wird damit in den pädagogischen Kontext hineingetragen. Das impliziert, sich in Bildungs- und Erziehungsprozessen mit der Grundidee der nachhaltigen Entwicklung, eine inter- und intragenerative gerechte Welt zu schaffen, ebenso auseinander zu setzen wie mit Ressourcenverbräuchen, Schadstoffeinträgen, Formen von Mobilität und den nicht nachhaltigen Lebensstilen.

Damit verbunden sind zwei Absichten, die eine Funktionalisierung von Erziehung und Bildung für externe (politische) Zwecke verhindern sollen. Erstens wird Wert darauf gelegt, sich der Nachhaltigkeitsthematik reflektiert zu nähern, sich also auch mit den theoretischen Modellen, kulturellen Leitbildern und Normen zu befassen. Zweitens ist BNE partizipativ ausgerichtet. Selbstbestimmtes Lernen, gemeinsames Handeln in Lernprozessen (z.B. in Form von Projektunterricht) und handlungsorientiertes Lernen (z.B. durch die Beteiligung an Lokalen Agenden) sichern nicht nur die Effizienz des Lernens, sondern verhindern auch die Funktionalisierung der Lernenden.

In der Bildungspraxis lassen sich national, europaweit wie international zahlreiche Initiativen und Aktivitäten ausmachen, die hohe Akzeptanz der BNE im schulischen wie erwachsenenbildnerischen und informellen Bildungssektor belegen. Allerdings fallen die Initiativen im Hochschulbereich noch außerordentlich dürftig aus.

Gerhard de Haan


Haan, Gerhard de: Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Simonis, Udo E (Hrsg.).: Öko-Lexikon, Verlag C.H. Beck, München 2003, S. 34-35.